Gartenstories

 “Nicht stressen lassen und erst einmal zuschauen“

Die Entscheidung eigenes Obst und Gemüse selbst anzubauen, ist immer mehr nicht nur eine Frage des Geschmacks. Es ist ein Ausdruck eines Lebensstils, der es ermöglicht der Hektik des Alltags zu trotzen. In der Stadt oder auf dem Land, der Natur und dem Ursprünglichen Nahe zu sein. Marit und Marcel haben sich in der Nähe von Brandenburg einen solchen Ort geschaffen. Sie nehmen uns durch ihre bildhaften Erzählungen mit ihren Garten. Lassen uns die Erde riechen, die Stare hören und erinnern daran wie gut bewusstes Hinsehen tut. Sie erzählen von ihren gärtnerischen Plänen, machen Appetit, dass einem der Heißhunger aufkommt. Sie geben ihre Erfahrungen weiter und animieren dazu dem Garten mit einer herrlichen Gelassenheit zu begegnen.

Lehnt Euch zurück, lasst Euch von den beiden in ihren wunderbaren Garten mitnehmen und Euch inspirieren, einen für Euch ebenso wunderbaren Ort zu schaffen.

Liebe Marit, lieber Marcel, auf eurer Homepageist die Leidenschaft zur Natur und dem Ursprünglichen so wunderbar präsent. Wie kam es zu der Idee, die sich hinter Geist und Galle verbirgt?

Dazu kann man viel erzählen. Als wir vor Jahren beschlossen, komplett auf tierische Produkte in unserer Ernährung zu verzichten, beschleunigte sich ein Prozess, den jeder durchmachen muss, der gerne und vor allem gerne was Gutes isst.

Zuerst erkennt man, dass Selbermachen der einzige Weg ist, dann entfaltet sich langsam die
Inspiration in der Küche, und später findet man raus, dass das Kochen schon beim Anbau beginnt und der eigene Garten manchmal viel bessere Dinge hervorbringt.

Ihr seid also durch den Wunsch einer bewussten und gesunden Ernährung zum Gärtnern und dem eigenen Anbau gekommen?

Bekömmlichkeit machen wir hauptsächlich daran fest, ob man mit gutem Gefühl isst. Bewusstsein ist gut, solange man sich nicht verrennt. Rennen kann man bei uns allerdings keine zwei Meter, ohne gegen einen Apfelbaum zu stoßen – davon gibt es einen für Kuchen im August und mehrere für Saft im Herbst.

Ist Euer Garten somit ein reiner Nutzgarten, oder wie kann ich es mir bei Euch vorstellen?

Nein, ein reiner Nutzgarten ist das nicht, wir sitzen gern mal rum oder fotografieren Leute in dem alten Häuschen.

Neben Kräutern und einem Gemüsehochbeet gibt es viele Pflanzen, die zum Schönsein oder als Sichtschutz da sind. Übers Jahr verteilt verschiedene Pilzarten und andere, die sich von alleine ausbreiten, wie Walderdbeeren und Rhabarber. Wir probieren eigentlich nur aus und gucken, was passiert.

„Nutzung“ kommt übrigens auch drauf an, wem es nutzt. Unsere Süßkirschen sind größtenteils für die Stare, und im März lassen die Krokusse kaum ein Betreten zu.

Hach, das klingt wundervoll! Habt Ihr schon immer einen Bezug zum Anbau von Obst und Gemüse gehabt, oder wie habt Ihr Euch Wissen darüber angeeignet?

Marits Eltern waren begnadete Gärtner und beide in der landwirtschaftlichen Agrarwissenschaft tätig, da bekommt man zwangsweise viel Wissen geliefert, das man zunächst als selbstverständlich betrachtet und erst später bemerkt, dass nicht jedes Kind so aufwächst.
Fachwissen holen wir uns heute oft von einer befreundeten Biogärtnerin aus Brandenburg, bei der wir Ernten und Pflegen helfen und ganz nebenbei erleben dürfen, wie unromantisch und problematisch Landwirtschaft mitunter sein kann.  

Die Gärtnerei ist dabei, eine Solidarische Landwirtschaft aufzubauen, d.h. eine Anzahl Haushalte (in/bei Berlin) mit Gemüse zu versorgen, die ihrerseits den Anbau finanziell unterstützen. Für mehr Informationen sendet eine Mail mit dem Betreff “Solawi” an feldgarten@posteo.de

Umso schöner ist es, dass Ihr an diesen Erfahrungen teilhaben und von ihnen zehren könnt. Wisst Ihr schon, was Ihr 2018 im Gemüsehochbeet säen und pflanzen werdet?

Im Moment sind wir noch in der Planungsphase, wissen aber schon, dass im vorderen Teil allerlei Bohnen wachsen sollen, da wir als Vorkultur Möhren hatten. Das kommt uns außerdem sehr gelegen, da wir Bohnen aller Formen lieben, Marcel in scharfen Eintöpfen und Marit in der Pfanne geschmort und mit Semmelbröseln bestreut auf leckerem Kartoffelpü.

Herrlich! Ihr macht mir richtig Appetit! Für welche Bohnensorten habt Ihr Euch entschieden? Gibt es beim Anbau etwas Besonderes zu beachten?

Wir lieben die ganz einfache grüne Bohne, sautiert in der Pfanne mit Knoblauch, Ingwer und Chili, und natürlich die gelbe Bohne, auch als Wachsbohne bekannt. Wir machen Dir sehr gerne Hunger!

Beachten muss man nicht sonderlich viel. Bohnen vertragen zum einen keinen Frost, und es ist gut, sie vor dem Pflanzen einen Tag in Wasser zu legen. Danach kommen sie ganz normal in die Erde. Drei bis fünf Bohnenkeimlinge zusammen im Abstand von rund 20 cm hineinlegen. Danach die Furche schließen und sogleich wässern. Wenn die Pflanzen dann so 10-15 cm hoch sind, kannst du sie noch anhäufeln, damit sie nicht umfallen. Bohnenkraut verträgt sich natürlich hervorragend mit dieser Pflanze, diese pflanzen wir dann in der Reihe daneben (Mischkultur).

Natürlich läuft die Planung für den Garten immer noch. Wir überlegen, ob wir ein oder zwei Hügelbeete anlegen, da wir noch einige Flächen im Garten haben, auf denen bisher nicht viel gedeihen wollte, wohl aufgrund der Nähe zu einem öffentlichen Weg, der mit großen Laubbäumen gesäumt ist. Die Idee ist, mit dem Hügelbeet eine bessere Bodenstruktur zu erhalten und somit ein günstigeres Wachstumsklima zu erzeugen.

Werdet Ihr 2018 etwas zum ersten Mal ausprobieren?

Wir wollen unbedingt mal Schwarzkohl ausprobieren. Im letzten Jahr hatten wir ihn von Stines Hofgärtnerei. Da kam er dann ins weihnachtliche Knödelrezept. Im nächsten Jahr werden wir auch unseren Kräutern mehr Raum zuteilen. Bisher wächst dort ein riesiger Salbei, der sich mit Estragon und Minze um Platz streitet.

Ihr habt Euch in Eurem Garten einen so wunderbar ausgeglichen Ort geschaffen, in dem Ihr Raum für Tiere bietet, und für Pflanzen, die sich von alleine ausbreiten dürfen. Wo Ihr Zeit findet, um mit Freunden zu verweilen oder die Freude am eigenen Anbau von Gemüse und Obst auszuleben. Einfach ein herrlich entspannter Ort, an dem weder zu viel, noch zu wenig ist.

Was ist euer Tip an alle, die sich nun von Euch und Eurem Garten haben inspirieren lassen?

Nicht stressen lassen und erstmal zuschauen. In Kleingartenkolonien die Worte der Nachbarn nicht überbewerten. Es dauert mehrere Jahre, bis man alle Gewächse entdeckt hat, die vielleicht nicht jedes Jahr mitspielen. Nicht alles gleich rausrupfen, aber feststellen, was es ist und ob es zu invasiv wird. Manches kann man nur eindämmen; wir hatten z.B. damals meterhohen Giersch übernommen, der nie ganz verschwinden wird, aber durch den Zwang zum regelmässigen Wühlen immerhin für lockeren Boden sorgt. Er schmeckt nichtmal. Vielleicht ist es Ziergiersch
Bei einem alten Garten mit Vorbesitzgeschichtedarf auch das archäologische Herz überlaufen. Es mag überwachsene Beeteinfassungen, alte Wurzeln und vielleicht sogar eine Latrine aus der Nachkriegszeit zu finden geben. Vielleicht muss man nicht gleich alles neu machen – auch, weil man sich dann schnell zu viel aufbürdet – aber manchmal muss man sich auch mal trauen, eine Fläche komplett neu zu gestalten.
Man muss in den Garten reinwachsen und Rückschläge nicht zu schwer nehmen. Dinge werden schieflaufen, und vollständige Kontrolle wird – und glauben wir, möchte – man nie haben.

 

Herzlichen Dank für Eure Zeit und alles! Ich freue mich, so sehr über diese Bereicherung und auf alles, was da noch kommt.

Marit und Marcel findet Ihr auch auf Instagram und hier.

 

 

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